Was für eine Tragödie sich seit Anfang März 2020 und in den folgenden Monaten in Hundertausenden Familien, Verwandtschaften und Freundschaften vor unseren Augen in Europa abspielt und abspielen wird, ist kaum zu erfassen. Die letzten Lebensmomente und -tage der geliebten Mutter, Grossvater, Schwester oder guten Freundes nur per kurzem Telefonanruf oder Videochat zu erleben – ohne einen würdigen Abschied mit Umarmung, Kuss oder einem Halten der Hand – ist eine menschliche Tragödie. An den meisten Beerdigungen dürfen nur eine Handvoll der nächsten Familienangehörigen, wenn überhaupt, teilnehmen. Besten Freunden ist der Zutritt verboten, Beerdigungstermine dürfen nicht veröffentlicht werden und es muss alles schnell gehen – selbst wenn die Person nicht an Corona gestorben ist. Wie wichtig diese Zeiten des Verabschiedens sind – auch gerade zusammen mit Freunden und Verwandten, da sind sich alle einig. Der Bayerische Rundfunk untertitelt den Online-Bericht „Abschied nehmen in Zeiten von Corona“ am 02.April mit den Sätzen „Würdevoll Abschied nehmen von Verstorbenen? Das ist zu Corona-Zeiten kaum möglich und eine Extrembelastung für die Trauernden.“ 1
Den Leib als Ebenbild Gottes der Erde zurückgeben
Gerade in einer Pandemie-Zeit, wo der Tod und Ewigkeit näher rücken, ist das würdige Abschiednehmen und Begräbnis von grosser Bedeutung. Dafür waren die Christen bereits in der ersten Kirche bekannt. Während der Cyprianischen Pest in der Mitte des 3.Jahrhunderts übernahmen die Christen die Bestattung der Toten, eine Aufgabe, welche die sonstigen römischen Bürger aus Angst vor Ansteckung ablehnten. Die Cyprianische Pest trat in den Jahren 250 bis 271 im Römischen Reich auf und tötete zu Höchstzeiten 5000 Menschen täglich alleine in Rom. Die Krankheitswelle breitete sich rasch aus und wird von dem Geschichtsschreiber Georgios Kedrenos als hochansteckend beschrieben.
Die frühe Kirche hatte schon in den vorigen Jahrhunderten immer ihre eigenen Mitglieder beerdigt, als ein Werk der Barmherzigkeit. Die Beerdigung von Pestopfern war daher für die christlichen Leiter/innen eine logische Erweiterung der Pflicht der Kirche.2 Und dies obwohl viele der Helfenden selber an der Pest erkrankten, starben und zusätzlich in einer Zeit in der Christen weiterhin verfolgt wurden. Erst ein halbes Jahrhundert nach der Cyprianischen Pest im Jahr 313 wurde der christliche Glaube offiziell toleriert, bis dahin waren Verfolgungen Alltag für Christen. Kaiser Julius der Apostat (331 bis 363 n.Chr.), der späte Christenfeind hob resignierend hervor, dass neben der Fürsorge und dem vorbildlichen Lebenswandel, das Kümmern der Christen um ein würdiges Begräbnis, für die Verbreitung des christlichen Glaubens im römischen Reich, ein massgeblicher Faktor war.3 Die Christen betrachteten den Leib, den sie der Erde zurückgaben, als Ebenbild Gottes.4 Laktanz, christlicher Apologet, schrieb: „Wir werden es nicht dulden, dass das Bild und Geschöpf Gottes den wilden Tieren und Vögeln als Beute hingeworfen wird, sondern wir werden es der Erde zurückgeben, von der es genommen ist.“5