Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbot oder Quarantäne prägen unseren neuen Alltag. Geschichtlich taucht das Wort Quarantäne (quaranta) „Vierzig“ Tage zum ersten Mal im Jahr 1377 in der Stadt Dubrovnik (heutigem Kroatien) auf. Um ihre Stadt vor Pestepidemien zu schützen beschlossen sie, dass alle ankommenden Reisenden und Kaufleute vor dem Betreten der Stadt dreißig, später dann vierzig Tage lang isoliert in eigens dafür errichteten Lazaretten aufhalten müssen. Die Angst grassierte und man versuchte sich bestmöglich zu schützen, was aber nicht immer gelang. Auch bewachte Pestmauern (zum Beispiel in Südfrankreich) wurden in späteren Jahrhunderten errichtet, welche ganze Gebiete zum Schutz vor der Pandemie abgeriegelten.
Die Quarantäne Massnahmen, Lock-Downs, Ausgangsbeschränkungen sind geschichtlich nichts Neues, aber in der weltweiten Dimension und Stärke in der jetzigen Corona-Krise historisch einmalig. So wichtig wie viele der Beschränkungen sind, so bringen sie zig Millionen Menschen an ihre Grenzen – sei es in verzweifelte Einsamkeit, familiäre Überforderung oder wirtschaftliche Existenzangst. Politik, Wirtschaft und staatliche Institutionen tasten sich in eine ungewisse Zukunft vor, ohne einen genauen Fahrplan zu kennen.
Die Weichen für die nächsten Jahrzehnte werden gestellt
Die kommenden 12 Monate in denen diese Ausnahmesituation herrscht werden für die Kirchen und christlichen Gemeinschaften und Werke in Österreich, Schweiz, Deutschland und Europa von allerhöchster Bedeutung sein. Auch wenn die Kirche in Europa nicht mehr die gleiche Rolle spielt wie in den letzten Jahrhunderten, sehen viele Menschen heute ganz genau hin, was ihre Reaktion auf diese Krise ist. Diese Zeit wird die Kirche entweder in noch grössere gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit hineinschlittern lassen oder wird sie zu einer sichtbaren Grösse der gelebten Nächstenliebe werden lassen. Ja, kann sie neu in die Mitte des gesellschaftlichen Lebens hineintragen mit bleibender Relevanz. Die Reaktion der Kirche ist nicht nachholbar – sogar unwiderruflich. Jetzt kommt es darauf an: Wird die Kirche jetzt sichtbar?
Streamen aus dem „Untergrund“
Für viele christliche Gemeinden, Kirchen und christlichen Organisationen ist diese Pandemie, wie für Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben, eine Vollbremsung und teilweise sogar ein Schock – keine Veranstaltungen, Events und (grössere) Treffen sind erlaubt. Für viele Leiter/innen von Kirche und Gemeinde wird es zur Versuchung werden, auf Tauchstation zu gehen und seinen Fokus auf Gebetsaufrufe und das Streamen von online Botschaften und Gottesdiensten aus dem „Untergrund“ zu richten. Das ist natürlich absolut wichtig, um die Dynamik der bestehenden Gemeinde und Kirche zu behalten und wird auch manch Aussenstehenden Hoffnung geben. Aber es wird keine relevante Antwort auf eine Jahrhunderte-Krise der Gesellschaft sein. Die Kirche würde nach 12 Monaten aus dem „Untergrund“ auftauchen, würde so gut wie möglich „business as usual“ fortführen, aber in ihrer Vertrauenswürdigkeit und Bedeutung nochmals stark verloren haben. Aber auch das Gegenteil könnte der Fall sein und Kirchen, christliche Gemeinden und Werke würden durch ihr Handeln und ihre erfahrbare Nächstenliebe zu einer starken Stimme in der Gesellschaft.
Das bekannte Sinus-Institut veröffentlichte Anfang April 2020 einen Bericht, anhand einer repräsentativen Online-Umfrage zur Corona-Krise, mit einem glasklaren Fazit: „Unsere Daten zeigen eindeutig: Nur wer in einer Krise präsent handelt und Verantwortung übernimmt, der gewinnt das Vertrauen der Menschen“ 1 Wie können Kirchen, christliche Gemeinschaften und Organisationen in der Krise präsent handeln und Verantwortung übernehmen?